Nach der Geschichte der Filmformate im ersten Teil und einem Überblick über die Formate digitaler Sensoren im zweiten Teil dreht es sich nun um die Auswirkungen von APS-C- und Vollformatsensoren auf die Bilder eines Fotografen. Aber Achtung: es geht nochmal ans Eingemachte!
Mehr Licht!
Im vorangegangenen Artikel habt ihr etwas wichtiges gelernt: Die Pixel auf einem Sensor können unterschiedliche Größen haben. Jeder einzelne von 16 Millionen Pixeln auf einem APS-C-Sensor ist kleiner als jeder einzelne von 16 Millionen Pixeln auf einem Vollformatsensor. Das hat mehrere Vorteile…
Erstens sind größere Pixel nicht so fehleranfällig. Das ist eigentlich ganz logisch… Es handelt sich um eine Fotodiode, die lichtempfindlich ist und dank moderner Technik bis ins wahnwitzige hinein miniaturisiert wurde. Und je kleiner ich etwas mache, desto größer ist die Gefahr, dass ich dabei Mist baue und das Ding hinterher nicht geht.
Zweitens sind größere Pixel lichtempfindlicher. Ist eigentlich auch logisch. Denn größere Pixel besitzen mehr Fläche, auf die Licht fallen kann als auf kleine Pixel.
Das wiederum hat unmittelbare Auswirkungen auf das Rauschverhalten.
Ein Beispiel: Ich fotografiere mit einer APS-C-Kamera bei Tag; Sonne lacht, Blende 8 und mit ISO 100. Alles super, top Bild. Es wird dunkler, also trifft weniger Licht auf den Sensor. Um das zu kompensieren, drehe ich die ISO hoch auf 800. Technisch gesehen wird nun mehr Strom durch den Sensor geleitet, damit er wie ein Verstärker funktioniert. Die Pixel werden lichtempfindlicher. Aber sie werden auch störanfälliger. Einige können ausfallen, bekommen falsche Informationen und das äußert sich dann im Bildrauschen.
Selbe Situation mit der Vollformat-Kamera, ISO 100, Blende f8 am Tag: Alles super, top Bild. Es wird dunkler. Da die Pixel der Vollformat-Kamera lichtempfindlicher sind, brauche ich die ISO aber nicht auf 800 hochdrehen, sondern nur auf 400 um die gleiche Menge Licht einfangen zu können. Weniger Strom fließt durch den Sensor, das Rauschen ist geringer. Glasklar oder?
Weniger Schärfentiefe!
Probiert einmal folgendes aus, wenn ihr spazieren geht: Stellt euch vor einen Baum, der möglichst einzeln steht. Seht ihn euch an und reißt die Augen so weit wie möglich auf. Wenn ihr die Pupille nicht bewegt (!) werdet ihr feststellen, dass alles weit hinter dem Baum recht unscharf erscheint.
Jetzt kneift ihr die Augen zusammen und starrt den Baum an. Auch hier: Pupille nicht bewegen! Falls ihr den Baum mit eurem Laserblick noch nicht abgefackelt habt, stellt ihr fest, dass euch der Hintergrund nun wesentlich schärfer vorkommt. Was ist passiert?

Im ersten Fall – scharfer Baum, unscharfer Hintergrund – spricht man von wenig Schärfentiefe. Im zweiten Fall – Baum scharf, Hintergrund scharf – spricht man von viel Schärfentiefe. Eure Pupille ist die Blende eines Objektivs und bestimmt die Menge des Lichts, die in das Auge fällt. Und in gewisser Weise habt ihr auch die Brennweite eures Auges verändert, wenn sie gestaucht wird. Beides ist entscheidend für den Eindruck der Schärfentiefe. Eine Rolle bei Kameras spielt auch die Größe der Pixel, denn sie sind ebenfalls dafür verantwortlich, wieviel Licht erfasst wird.
Habt ihr also das Auge aufgerissen, ist eure „Blende“ weit geöffnet und ihr habt eine Brennweite von soundsoviel Millimetern. Wenig Schärfentiefe.
Habt ihr das Auge zusammen gedrückt, ist eure „Blende“ weiter geschlossen und ihr habt eine Brennweite von soundsovielpluseinwenigmehr Millimetern. Viel Schärfentiefe.
(Das ist übrigens auch der Grund, warum ihr die Augen zusammenkneift, wenn ihr das Namensschild der Kassiererin vorne im Laden lesen wollt, während ihr ganz hinten unauffällig an der Käsetheke steht.)
Der Effekt wäre noch stärker, wenn die Fotorezeptoren hinten in eurem Auge (Fovea centralis) noch empfindlicher wären. Und genau das macht den Einfluss des Vollformatsensors auf die Schärfentiefe aus. Denn der ist lichtempfindlicher…
(Puh, ich hoffe, das ist verständlich gewesen….)
Mehr Brennweite! Oder weniger?
Sehr viele Zuschriften erreichen mich immer wieder von Leuten, die von einer APS-C-Kamera auf das Vollformat umgestiegen sind und nicht begreifen können, warum sie „nicht mehr so weit zoomen“ können mit ihren alten Objektiven. Oder sie fragen sich, warum da schwarze Ecken an den Bildrändern sind. Und ganz ganz viele wissen gar nicht, warum man bei APS-C-Kameras und solchen mit noch kleineren Sensoren die Brennweite „entsprechend dem Kleinbildformat“ angibt. Der Grund ist mal wieder historischer Natur.
Um einen einheitlichen Nenner zu haben, geben die Hersteller Brennweiten auf Objektiven immer gemäß dem Kleinbildformat an. In der freien Wildbahn an der Kamera eures Vertrauens hat das folgende Auswirkungen:
- Ein 50-Millimeter-Objektiv an einer analogen Kleinbildkamera besitzt eine Brennweite von 50 Millimetern.
- Ein 50-Millimeter-Objektiv an einer digitalen Vollformatkamera besitzt eine Brennweite von 50 Millimetern
- Ein 50-Millimeter-Objektiv an einer digitalen APS-C-Kamera besitzt eine Brennweite von (rund) 75 Millimetern
Warum der Unterschied bei der APS-C-Kamera? Hat die einen eingebauten Nuklearbeschleuniger? Nein, denn erinnert euch: sie besitzt einen Sensor, der kleiner ist als das Kleinbildformat. Und das hat eben Auswirkungen auf die Brennweite.
Crop-Faktor?
Schon im ersten Teil dieser Artikelreihe haben wir festgestellt, dass noch immer das Kleinbild vom Beginn des 20. Jahrhunderts das (Zentimeter-)Maß aller Dinge ist. Also warum sich nicht am Kleinbild orientieren? Das tun die Hersteller in Bezug auf ihre Brennweiten-Millimeterangaben. Wie oben gesehen funktioniert das auch soweit wunderbar, solange die Film- bzw. Sensorebene so groß ist wie Kleinbild. Alles, was kleiner als Kleinbild ist, nennt man „beschnitten“ oder „gestutzt“ oder im englischen „crop“. Die im Vergleich zum Vollformat-Sensor kleineren APS-C-Sensoren bzw. ihre Bilder sind also cropped/zurechtgestutzt.
Aber nicht falsch verstehen: Die Bilder sind nicht verkleinert, sondern es fehlt etwas, okay?
Schaut euch mal ein Objektiv von der Seite an, nachdem ihr mit der Kreissäge dran vorbei gegangen seid: die Frontlinse ist meist sehr viel größer als die letzte Linse, die am nächsten am Sensor dran liegt, richtig? Man könnte also sagen, dass das Bild, das ihr fotografiert, im Objektiv verkleinert wird, damit es genau auf die Größe des Sensors passt. Damit das hinhaut, setzt man z.B. ein 50-Millimeter-Vollformat-Objektiv an eine Vollformat-Kamera.
Setze ich jetzt das Vollformat-Objektiv an eine APS-C-Kamera, dann habe ich ein Problem. Das Objektiv bringt das Motiv auf die Größe eines Vollformatsensors, aber der Sensor, der da tatsächlich im dunklen Spiegelkasten klebt, ist gar nicht groß genug. Er kann nur einen kleineren Teil des Bildes sehen, das durch das Objektiv geschickt wird. Man sagt, er erfasst einen kleineren Bildwinkel. Und ein kleinerer Bildwinkel wirkt, als hätte man näher rangezoomt. In der Fachsprache spricht man dann von einer „scheinbaren Brennweitenverlängerung„.
Ein unheimlich nerviger Mensch könnte jetzt fragen: „Aber um wie weit verlängert sich die Brennweite scheinbar?“ Ein Mensch mit engelsgleicher Geduld würde antworten: „Um genau soviel, wie der APS-C-Sensor kleiner ist als der Vollformatsensor.“
In Teil zwei dieser Artikelserie habt ihr gelesen, dass die APS-C-Sensoren etwa von Nikon eine andere Größe haben, als die von Canon. Der „Verkleinerungsfaktor“ ist also auch von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Bei Nikon beträgt er 1,5 und bei Canon beträgt er 1,6. Um herauszufinden, was für eine scheinbare Brennweite mein Vollformatobjektiv an einer APS-C-Kamera hat, muss ich die Brennweite entsprechend dem Kleinbildformat mit dem Verkleinerungsfaktor multiplizieren.
50 (mm) x 1,5 = 75 (mm)
Und deswegen besitzt – wie ihr oben gelesen habt – in 50-Millimeter-Objektiv an einer digitalen APS-C-Kamera eine Brennweite von (rund) 75 Millimetern.
Wohlgemerkt: es sind keine echten 75 Millimeter, aber wenn man durch den Sucher schaut, dann hat man das Gefühl, denn der Bildwinkel entspricht einem 75-Millimeter-Objektiv. Diesen „Verkleinerungsfaktor“ nennt man in der Fachsprache Crop-Faktor.
Ich hoffe, ich konnte das bis hierher erklären und ihr seid noch nicht mit nach hinten geklappten Augen über der Tischplatte zusammen gebrochen. Denn ich habe noch eine Grafik, die das veranschaulichen sollte:
Oben seht ihr eine Nikon D800 mit Vollformatsensor (senfigorangegelb) und unten eine Nikon D7100 mit APS-C-großem DX-Sensor (spinatiggrün). Der grüne Kreis symbolisiert den Bildkreis eines APS-C-Objektivs. Wie man sieht, deckt er die Größe des Bildsensors ganz genau ab. In der D800 würde er das auch tun, nur steckt da kein grüner, sondern ein oranger Vollformatsensor drin. Und der ist größer als der Bildkreis des APS-C-Objektivs.
Im Extremfall – zum Beispiel bei weitwinkligen APS-C-Objektiven – kann es dazu führen, dass der Sensor vom Objektiv gar kein Licht in die Ecken bekommt – das sorgt dann für eine Abdunklung der Bildränder.


Wie ihr seht, hat die Größe des Sensors ganz entscheidenden Einfluss auf das Motiv. Laienhaft ausgedrückt, wirken die Fotos einer Vollformatkamera in den Augen vieler Menschen „noch fotografischer“. Das ist etwas, das ich selbst gern als den SLR-Effekt bezeichne. Aber der ist nunmehr nicht nur auf Spiegelreflexkameras beschränkt, es gibt auch CSCs und sogar Kompaktkameras mit Vollformatsensor.
Um diesen „noch fotografischeren SLR-Effekt“ zu verstärken, kommen an Vollformatkameras Objektive zum Einsatz, die qualitativ noch etwas besser sind als die APS-C-Pendants. Um viel Licht einzufangen, sind die Linsen und damit die Lichtstärke größer. Ein typisches APS-C-Standardzoomobjektiv deckt eine Brennweite von 18 bis 55 Millimetern ab. Bei 18 Millimeter Brennweite hat es eine Lichtstärke von 1:3,5 und bei 55 Millimetern eine Lichtstärke von 1:5,6. Zum Beispiel das Nikkor 18–55 mm 1:3,5–5,6G VR II. Ein hochwertigeres und ebenfalls typisches Standardzoom für Vollformatkameras ist das AF-S Nikkor 24–70 mm 1:2,8G ED. Es reicht von 24 bis 70 Millimeter und besitzt eine durchgängige Lichtstärke von 1:2,8. Das heißt, die viel größere Offenblende als beim vorher genannten Objektiv steht über den ganzen Zoombereich zur Verfügung – auch bei den 70 Millimetern. Und das sorgt schon bei den normalen Brennweiten für wunderschöne Schärfentiefe, plastische Bilddarstellung und kontrastreiche Motive auch bei weniger Licht. Zu sehen in meinem Test des 24-70er von Tamron.
Fazit
Ich hoffe, ihr habt während dem Lesen weich gesessen, denn einige von euch sind vielleicht dank des trockenen Themas in schlafgedämpfte Desinteressionsstarre gefallen. Falls ihr diese Zeilen noch lest, freue ich mich und hoffe, ich konnte ein bisschen Licht, Brennweite und Schärfentiefe ins Dunkel bringen. Ich will aber diesen doch sehr reichhaltigen Artikel nicht noch mit einem angemessenen Fazit verlängern, darum kommt eine kurze abschließende Betrachtung in Form eines achtbändigen Werks in Schriftgröße drei erst nächste Woche.






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