Schon wieder eine Kamera im derzeit trendigen Retro-Stil? Gähn? Vielleicht aber auch nicht…
Mit dem Zeiss Otus 1.4/55 konnte ich kürzlich Hand an eines der am heißesten begehrten Ausrüstungsteile in Sachen Fotografie der letzten Monate legen. Das andere Teil, das ähnlich viel Reden von sich gemacht hatte, ist die Nikon Df.
Über mehrere Wochen hinweg war nichts über die Kamera bekannt, lediglich eine Video-Kampagne gab es, die kunstvoll verhüllte, was da kommen sollte. Schließlich war klar: Nikon wollte nicht nur eine Kamera im Retro-Design heraus bringen, das derzeit so angesagt ist. Nikon wollte wirklich eine echte Retro-Kamera heraus bringen, die sich an puristische Fotografen richtet. Was das bedeutet und ob das nur Marketing-Gewische ist, erfahrt ihr hier.
http://www.youtube.com/watch?v=lnnOoFaO7wg
Eindruck
Zuerst einmal: obwohl ich selbst eine Kamera in feinstem, modernen SLR-Design besitze, erliege ich total dem Retro-Trend. Ich gebe es zu, ich stehe auf den Imitationsstil analoger Kameras und entsprechend finde ich auch die Nikon Df hinreißend. Gerade das zweifarbige Modell ist eine Augenweide, wenn ihm in meinen Augen auch die leichte Eleganz fehlt, die etwa Fujifilm in die X-Modelle packt.
Durchaus irritierend dürfte manchen vielleicht die herausfordernd wuchernden Einstellräder auf der Oberseite auffallen. Das scheint es zu sein, was Nikon unter Retro versteht. Da gibt es nicht nur zwei Ringe, nein, es gibt gleich zigvielmengen davon. Alles wurde irgendwie drehbar gemacht und einige Einstellringe sind sogar doppelt geschichtet. Die Rückseite wirkt dagegen erleichternd übersichtlich. Etwas unangenehm ist mir nur der Griffwulst aufgefallen. Die Df ist nicht gerade ein Leichtgewicht (765g) und der Griff zu dünn, so dass das Tragen über längere Zeit in die Finger geht.
Eigenschaften
Das Slogan der Nikon Df ist „pure photography“. Aber was heißt das eigentlich? Für Nikon bedeutet es die Konzentration auf das Wesentliche: das Fotografieren. Das soll sie aber in Perfektion beherrschen.
Das heißt unter anderem – und ich nehme es direkt mal früh vorweg – alles, was mit dem Filmen zu tun hat, kann sie nicht. Sämtliche Videofunktionen wurden weggelassen. Punkt. Bei der Df zählt einzig das Fotografieren und dazu hat sie die Hardware bekommen, die am weitesten entwickelt ist. Große Teile ihres Innenlebens stammen nämlich aus dem Flaggschiff des Unternehmens, der Nikon D4.
Das bedeutet, dass die Df eine Vollformatkamera ist, deren Sensor mit moderaten 16,2 Megapixel bestückt ist. Ähnlich wie bei der D800 kann der Sensor auch DX (APS-C-Format). Setzt man also ein Objektiv an, das nicht für das Vollformat gerechnet ist, dann schaltet die Kamera automatisch um und passt den Bildkreis an. Ich werde jetzt nicht alle Features auflisten und damit eure Lebenszeit verschwenden. Festzustellen bleibt aber, dass sich die Kamera beim Fotografieren ziemlich gut anfühlt (bis auf den Griff). Alles, was der Fotograf braucht, ist da und das manuelle Einstellen von Verschlusszeiten, Belichtungsanpassungen oder ISO-Werten macht mir einfach Freude. Übrigens hat man trotz der Einstellringe und des vielen Retro nicht das Display an der Oberseite vergessen. Ist zwar sehr klein und rudimentär, aber ich brauch sowas.
Performance
Lasst mich euch noch mal etwas vor Augen führen: Die beste Kamera, die Nikon behauptet, bauen zu können, kostet rund 5.500 Euro und besitzt einen 16-Megapixel-Sensor. Ich brauche niemandem von euch zu erklären, dass es weit günstigere Kameras mit höherer Auflösung gibt. Ich tue es aber trotzdem, denn damit will ich euch auf etwas aufmerksam machen. Der Verzicht auf extrem hochauflösende Sensoren kommt der Bildqualität eher zugute, denn die einzelnen Pixel haben mehr Platz auf dem Sensor. Sie sind empfindlicher, sammeln mehr Licht und die ganze Einheit erreicht viel höhere Dynamikwerte.

Und darum hat man den Sensor auch in die Df eingepflanzt. Hinzu kommt ein Bildprozessor, der ein richtiges Arbeitstier ist und ein robuster Verschluss, der laut Hersteller auf 150.000 Auslösungen getestet ist. Die ganzen technischen Daten könnt ihr ja nachschlagen – bei mir erfahrt ihr hauptsächlich, wie sich das anfühlt.
Und ich kann sagen, es fühlt sich ziemlich gut an… ;)
Das Teil ist einfach sauschnell. Wie die hochgezüchtete D4 fokussiert die Nikon enorm präzise und flott. Unterwegs habe ich ein Motiv gesehen, die Kamera hochgerissen, ausgelöst und das Motiv durch eine Scheibe mit Reflexionen hindurch ohne Verwacklung scharf gehabt. Mit 1/4.000 Sekunde minimaler Verschlusszeit ist sie zwar „nur halb so langsam“ wie meine eigene Kamera, aber dafür jagt sie bis zu fünf Bilder in voller Auflösung im Serienmodus durch den Prozessor. Der Verschluss klingt dabei, als würde er ein saftiges Blatt Papier wie ein Sushi-Meister filettieren.
Wer teurere Nikon-SLRs kennt, weiß, was das Unternehmen in Sachen Rauschverhalten drauf hat. Ihr könnt euch selbst davon überzeugen. Alle Bilder in diesem Artikel, die museumsmäßige Innenräume zeigen, sind mit ISO 800 entstanden. Wäre mir früher im Traum nicht eingefallen, aber schaut sie euch selbst an. Bildrauschen? Lächerlich.
Die Dynamik habe ich eben schon angesprochen: Der Umfang ist riesig und führt dazu, dass man die Kamera schon arg austricksen muss, um über- oder unterbelichtete Fotos zu produzieren. Lässt man sie machen, dann liefert sie Bilder, aus denen man sowohl in dunklen als auch hellen Bereichen noch haufenweise Details herausholen kann.
Dazu sei aber auch gesagt, dass man unbedingt in Raw fotografieren sollte. Wer bei einer solchen Kamera in JPEG arbeitet, verschenkt unglaublich viel Potential.
Fazit
Die Nikon Df mag ein fotografisches Kleinod sein und eigentlich ist sie genau das, was sich viele Leute wünschen. State-of-the-Art-Performance ohne Schnickschnack und Fotografie ohne Video. Das Retro-Design (übrigens ist sogar der Schriftzug vorne auf dem Prismenbuckel retro) unterstreicht das zwar perfekt. Aus meiner Sicht wäre ein Aufspringen auf den Trend-Zug aber nicht zwingend nötig gewesen.
Mich persönlich kann das Gesamtpaket überzeugen: Ich kann an Reglern spielen (Jungs mögen das) und meiner manuellen Leidenschaft Ausdruck verleihen, zeichne die Ergebnisse aber mit hochmoderner und sehr potenter Technik auf. Als Arbeitstier erscheint sie mir dennoch etwas zu verspielt, eher wie ein süßes Vergnügen. Dieses Vergnügen kostet derzeit fast 3.000 Euro und mag damit etwas luxuriös angehaucht sein, aber ich bekomme Kameratechnik aus der D4, die fast das doppelte kostet.
Mehr! Die Bilder oben in Originalauflösung kann man sich hier anschauen. Weitere voll aufgelöste Bilder zu meinen Hands On-Berichten sind hier zu finden. Mehr Hands on-Berichte selbst zu verschiedensten Kameras und Objektiven gibt es hier.




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