Landschafts- und Naturaufnahmen mit einem Porträtobjektiv? Warum nicht?
Wenn euch jemand fragt „Was für ein Objektiv brauche ich für Landschaftsaufnahmen?“, dann ist klar, was ihr antwortet: ein Weitwinkel(zoom). Ist ja auch nicht ungewöhnlich. Bei – sagen wir – 18 Millimetern kann man schöne Panoramen machen und durch die hohe Schärfentiefe muss man sich über scharfe Details vor allem in der Ferne keine Gedanken machen. Fokussiert man auf unendlich, ist definitiv auch nichts unscharf. Auch die Lichtstärke ist kein Problem – f3,5 reicht total aus, um alles mögliche damit zu machen.
Soweit zu den allgemeinen Regeln. Und wenn ihr die kennt, geht es über zum spaßigen Teil: das Brechen der Regeln.
Ich habe da eine Festbrennweite für meine D800, das Nikkor 50 mm 1:1,2. Das ist nicht irgendein Objektiv, sondern das lichtstärkste/schnellste SLR-Objektiv, das Nikon anbietet. Und eines der langlebigsten. Trotz nicht allzu berauschender Absatzzahlen wird es seit 1978 bis heute produziert. Und zwar wie von anfang an als manuelle Optik. Warum?
Ganz einfach, es hat einen absolut traumhaften Stil. Und es ist (ab Blende f2) einfach brutal scharf. Als SLR-Optiken noch fast ausschließlich aus Metall gefertigt wurden, war es eines der hochwertigsten, die man haben konnte. Einziger Wermutstropfen: bei maximaler Blendenöffnung sorgt die Beugungsunschärfe für einen leichten Schleier über dem ganzen Bild und für das Scharfstellen braucht man wirklich Fingerspitzengefühl. Dafür bekommt man jedoch Bilder mit einem wunderschönen Bokeh. Aber das nur am Rande. Zusammengefasst kann man sagen: wer weiß, wie man damit umgeht, kann großartige Porträtaufnahmen damit machen. Aber ist es für Naturaufnahmen geeignet? Sicher doch.
Abgesehen von der Arbeit im Studio und am Rechner bin ich ein Lichtsucher und Schattentaucher. Wenn ich eine interessante Lichtstimmung ahne oder finde, dann mache ich mich auf die Jagd danach. Das ist mir mit der Pentax K7 zu eigen geworden, die einen tollen Dynamikumfang hatte und wurde von der D800 nicht gebremst, die das nochmal um einiges übertrifft. Wenn man Licht fotografieren will, mit ihm spielt und es inszenieren möchte, hat man kaum einen besseren Begleiter als ein Objektiv das genau dafür entworfen wurde.
Natur- oder Landschaftsaufnahmen bestehen nämlich nicht nur einfach aus Panoramen mit einer Horizontlinie und viel Himmel. Sie bestehen auch aus Stimmungen, Reflexionen und lebendigen Dingen, die miteinander in Beziehung stehen. So, wie die Strahlen einer untergehenden Sonne, die sich durch Blattwerk und an Baumstämmen vorbei winden.
Das ist das schöne an einer Festbrennweite gegenüber einem (Weitwinkel-)zoom: Sie fordert euer Können. Sie verlangt, dass ihr anders seht, euch bewegt und das Fotografieren zu einem Handwerk macht.
Das 50er Nikkor ist wahrlich nicht einfach zu benutzen. Es schluckt soviel Licht, dass die Bilder meist überbelichtet sind und die Beugungsunschärfe alles matschig werden lässt. Es krümmt die äußersten Lichtstrahlen, sodass unscharfe Details an den Rändern nahezu kreisrund verschwimmen zu scheinen. Aber genau das macht die Bilder mit dieser Optik so einzigartig.
Wenn man es recht einzusetzen weiß, dann kommen zwei Dinge zusammen, die füreinander bestimmt sind: ein atmosphärisches Motiv und ein Look, der etwas traumhaftes, unnatürliches und dabei sehr stoffliches an sich hat. Und man muss wissen, wo die Stärken liegen, um sie zu nutzen. Zum Beispiel beim Bokeh.
Kurz gesagt: das Nikkor 50 mm 1:1,2 eignet sich sehr wohl für Naturaufnahmen. Nämlich dann, wenn nicht einfach nur was festgehalten werden soll, sondern wenn eine künstlerische Inszenierung gefragt ist. Wenn man die Pfade verlässt.
Oder praktischer ausgedrückt: Bei Aufnahmen wie der Serie „blink“ spielen Schärfe und Unschärfe gar keine so große Rolle. Der Schleier durch die Beugungsunschärfe wird abgemildert durch die harten Kontraste und fördert sogar noch den Bildeindruck, weil das Licht weicher und sanfter gestreut wird. Wesentlich ist der Eindruck von Tiefe, die Dichte des Bilds und da ist eine so schnelle Linse besser wie keine andere. Letztlich ist es mit ihr viel besser möglich, einen versteckten, geheimen und irgendwie intimen Moment zu erschaffen.
Wie ist das mit euch, habt ihr auch ein so oder ähnlich schnelles Objektiv im Repertoire? Und wofür setzt ihr es ein?
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